Wenn du in Louisville, Kentucky geboren wirst, denkst du wahrscheinlich nicht: “Eines Tages werde ich Gitarren bauen, die Paul Reed Smith sabbern lassen.” Aber David Grissom war nie der Typ für Pläne. 1958 kam er in einer Stadt auf die Welt, die mehr für Pferderennen und Bourbon bekannt war als für wilde Gitarrenriffs. Doch während andere Jungs Baseball spielten, verliebte sich David in die Gitarre – und zwar nicht schüchtern, sondern so richtig heftig. Seine ersten Lehrer machten ihn mit allem bekannt, was Saiten zum Glühen bringen konnte: Der erste zeigte ihm Keith Richards und Jimi Hendrix – also, wie man Gitarre spielt, als würde man sie gerade in Brand setzen. Der zweite brachte ihm den Blues bei – die „Three Kings“ (B.B., Albert und Freddie) plus ein bisschen Magic Sam für die nötige Schärfe.
Der dritte Lehrer war ein Jazzer – der Typ, der ihn mit Wes Montgomery und Jim Hall infizierte. Grissom sog das alles auf wie ein verdammter Schwamm. Zuhause lief Johnny Cash und Waylon Jennings, und an Wochenenden stand er mit seinem Vater auf Bluegrass-Festivals, wo Doc Watson und Norman Blake ihre Finger schneller bewegten, als normale Menschen blinzeln konnten. Kurz gesagt: Der Junge hatte kein musikalisches Genre – er hatte eine Krankheit. Sie hieß „Ich will alles spielen, was sich nach Leben anfühlt.“ 1983 zog Grissom nach Austin, Texas – damals der heilige Boden für Musiker, die zu gut waren, um brav zu bleiben.
In dieser Stadt gab’s mehr Gitarren als Parkplätze, aber David passte rein wie Bourbon ins Glas. Er spielte in Bars, Juke Joints und kleinen Clubs, lernte jeden kennen, der dort je eine Saite gezupft hatte – inklusive einer jungen Lucinda Williams. Doch 1985 änderte sich alles: Joe Ely rief an. Ely suchte einen Gitarristen, der so spielte, als hätte er in einem Tornado gelernt – und Grissom war genau dieser Typ. Von 1985 bis 1991 tourte er mit Ely, spielte Shows mit The Clash (ja, den Clash!) und brachte seinen rauen, bluesgetränkten Stil in den Country-Rock-Sound, der Elys Musik von allem anderen unterschied. Die Band war wild, ehrlich und tight wie ein frisch gespannter Saitensatz.
Grissom sagt heute selbst, dass diese Jahre ihn als Musiker geprägt haben – sechs Jahre Rock’n’Roll, Schweiß, Bier und wahrscheinlich zu wenig Schlaf. Nach dem Kapitel Joe Ely wechselte Grissom das Spielfeld: 1991 holte ihn John Mellencamp in seine Band – ein Schritt vom texanischen Staub in den Mainstream-Dampfkochtopf. Larry Crane, Mellencamps langjähriger Gitarrist, war raus – und David sprang rein. Auf drei Alben, beginnend mit Whenever We Wanted, ließ er seine Finger über das Griffbrett flitzen und brachte den erdigen Sound zurück, den Mellencamp so dringend brauchte. Tourneen, Fernsehauftritte, Stadion-Shows – Grissom hatte alles. Aber irgendwann merkte er, dass die ganze große Show nur laut war, nicht tief. Er wollte wieder dahin, wo Musik nach Schweiß roch und nicht nach Haarspray.
Also kehrte er nach Austin zurück. Austin empfing ihn mit offenen Armen – und offenen Verstärkern. 1994 gründete Grissom mit den Double Trouble-Jungs Chris Layton (Drums) und Tommy Shannon (Bass), plus David Lee Holt und Sänger Malford Milligan, die Band Storyville. Das war kein gewöhnliches Blues-Rock-Projekt – das war ein verdammter Orkan. Malford sang, als würde er gleichzeitig beten und fluchen, Layton und Shannon gaben den Groove, und Grissom zog mit seiner Gitarre Linien, die dich an der Seele packten. 1996 erschien A Piece of Your Soul, das Album, das Austin zum Beben brachte. Platz 5 der US-Blues-Charts, Standing Ovations, Gitarrenmagazine im Freudentaumel – das volle Programm.
Aber wie es bei Supergroups so ist: zu viele Alphatiere, zu wenig Platz. 1999 war Schluss. Doch Storyville starb nie wirklich. Die Jungs kamen regelmäßig zu Jams zurück, und 2007 gab’s noch ein letztes Hurra mit Live at Antone’s. Nach Storyville machte Grissom weiter, was er am besten kann: andere verdammt gut klingen lassen. Er spielte mit The Allman Brothers, tourte mit den Dixie Chicks, trat mit Buddy Guy, Chris Isaak und sogar Bob Dylan auf. Wenn jemand in der Szene eine ehrliche, geschmackvolle, tödlich präzise Gitarre wollte – Grissom war der Typ, den man anrief. Gleichzeitig blieb er ein Songwriter, auch wenn er sich in Nashville von der Co-Writing-Maschinerie irgendwann abwandte. „Zu viele Songs, an denen ich kein Interesse hatte“, meinte er einmal. Und genau deshalb begann er, wieder allein zu schreiben – direkt aus dem Bauch, so roh wie seine Solos.
Seine Solokarriere startete 2007 mit dem Album Loud Music. Danach folgten weitere Veröffentlichungen, darunter How It Feels to Fly (2014) und Trio Live (2020). Das alles klingt, als würdest du mit einem Bier in der Hand auf der Veranda sitzen, während draußen ein Gewitter aufzieht – ehrliche Musik, direkt ins Gesicht. Neben all dem Bühnenleben wurde Grissom zu einem der wichtigsten Sound-Architekten von Paul Reed Smith Guitars. Schon Mitte der 80er traf er auf Paul Reed Smith – beide Gitarrenbesessene mit dem Ziel, das perfekte Instrument zu bauen. Gemeinsam entwickelten sie die PRS DGT (David Grissom Tremolo), eine Gitarre, die sich wie Butter spielt, aber beißt wie ein verdammter Pitbull.
Grissom designte sogar eigene Pickups und half PRS später bei der Entwicklung des DG Custom Amps, der heute fast genauso legendär ist wie er selbst. Wenn du Musiker bist, die PRS DGT spielst und dich fragst, warum sie sich so verdammt gut anfühlt – das liegt an David. Der Typ hat jahrzehntelange Road-Erfahrung in jedes Detail reingeschraubt. Heute lebt Grissom in Dripping Springs, Texas, wo er entweder an neuen Songs arbeitet, im Studio aufnimmt oder einfach im Saxon Pub in Austin auftritt – seinem zweiten Wohnzimmer. Keine Rockstar-Posen, kein Bullshit. Nur ehrliche Musik, gespielt von jemandem, der’s verdammt nochmal verstanden hat.
Nach fast fünf Jahrzehnten auf der Bühne, im Studio und überall dazwischen hat David Grissom alles gesehen – den Ruhm, die Pleiten, die endlosen Nächte auf Tour. Und er spielt immer noch mit dem gleichen Hunger wie 1985. Er ist kein Typ für Schlagzeilen. Er ist einer von denen, die im Hintergrund die Magie erschaffen, die andere berühmt macht. Ein stiller Held. Ein Gitarren-Mutterficker mit Stil. Wenn du also das nächste Mal jemanden siehst, der in Austin auf der Bühne steht, die PRS DGT umhängen hat und aussieht, als hätte er den Blues persönlich verprügelt – das ist wahrscheinlich David Grissom. Und verdammt, der Typ spielt besser, als du atmest.