Warren Haynes kam 1960 in North Carolina zur Welt, aber eigentlich wurde er geboren, um Gitarren zum Weinen zu bringen. Während andere Jungs in seinem Alter versuchten, cool zu wirken, war Warren einfach cool – nicht weil er es drauf anlegte, sondern weil der Typ schon mit 20 für David Allan Coe in einer Tourband spielte. Und wenn du den Job überlebst, ohne auf Meth umzusteigen oder in einem Truckstop zu verschwinden, dann hast du offenbar das Zeug zum Rock’n’Roll-Survivor.
In den späten 80ern wurde er von Dickey Betts angeheuert – ja, der Dickey Betts, Gitarrenlegende der Allman Brothers. Was als harmlose Background-Gesangssession begann, endete damit, dass Warren zur festen Größe in der Betts-Band wurde. Ergebnis: Das 1988er Album Pattern Disruptive, das klingt, als hätten Southern Rock und Funk sich betrunken, gestritten und dann doch geheiratet. Ach ja – nebenbei schrieb Warren auch noch den Titeltrack für Gregg Allmans Soloalbum Just Before the Bullets Fly. Keine große Sache. Nur ein bisschen Rockgeschichte.
1989 kam dann der Anruf, der Gitarristen entweder in Ekstase versetzt oder sofort Durchfall beschert: Die Allman Brothers Band will sich wiedervereinigen – und Warren soll dabei sein. Spoiler: Er hat den Job angenommen. Gemeinsam mit Neel, Woody und Betts hat er nicht nur gespielt, sondern vier verdammt solide Studioalben rausgehauen, darunter das gold-zertifizierte Where It All Begins. 1994 stand er mit den Allmans auf der Bühne bei Woodstock ’94 – vor einer Menge so groß, dass selbst Gott sich hinten hätte anstellen müssen.
Aber Haynes wäre nicht Haynes, wenn er sich ewig auf Classic-Rock-Lorbeeren ausgeruht hätte. 1997 verließ er die Allman Brothers zusammen mit Bassist Allen Woody, um sich voll auf ihr Seitenprojekt Gov’t Mule zu konzentrieren – das sich schnell als kein bisschen Nebenprojekt, sondern als kompletter musikalischer Bulldozer entpuppte. Nach Woodys plötzlichem Tod 2000 kehrte Haynes zur Allman-Bruderschaft zurück – diesmal mit Derek Trucks an seiner Seite, einem jungen Kerl, der offenbar mit einem Slide-Ring am Finger geboren wurde.
Und als wäre das alles nicht schon genug Southern-Rock-Geschichte für drei Leben, fing Haynes auch noch an, mit den Grateful-Dead-Überlebenden rumzujammen – inklusive Phil Lesh und The Dead selbst. Offenbar ist er so eine Art spiritueller Seelen-Klempner für alle Rock-Ikonen, die einen zuverlässigen Gitarristen brauchen, der nicht wie ein Rockstar auf Koks, sondern wie ein Musiker mit Seele und verdammt viel Stil tickt.
Wenn er nicht gerade mit lebenden Rocklegenden auf Tour ist, organisiert Haynes in seiner Heimatstadt Asheville die Christmas Jam, eine jährliche Benefizshow, die nicht nur geile Musik liefert, sondern auch ordentlich Cash für Habitat for Humanity auftreibt. Ein Rockstar mit sozialem Gewissen – ja, das gibt’s wirklich.
Sein Soloalbum Ashes & Dust von 2015 zeigt eine ganz andere Seite von Haynes – weniger Gitarren-Feuerwerk, mehr Singer/Songwriter-Vibes. Americana statt Amp-Zerstörung. Und das Erstaunliche? Er kann das genauso verdammt gut. Laut PopMatters zeigt das Album, dass Haynes einfach alles spielen kann, was man ihm hinwirft – als hätte er einen musikalischen Schweizer Taschenmesser-Modus.
Kurz gesagt: Warren Haynes ist keiner von denen, die ständig rumschreien müssen, wie gut sie sind. Er zeigt es einfach. Mal mit einem P-90 in der Hand, mal mit einer souligen Ballade, mal mit einem abgefahrenen Jam, der 12 Minuten dauert und dich trotzdem nicht langweilt. Und während andere in seinem Alter längst Bierbäuche pflegen und über ihre Glory Days jammern, steht Warren Haynes auf der Bühne – als lebendige Erinnerung daran, dass Musik nicht nur laut, sondern auch wahrhaftig sein kann.