John Petrucci ist das menschgewordene Metronom, das irgendwann beschlossen hat, dass normale Menschen nicht genug Finger haben. Geboren am 12. Juli 1967 in Kings Park, New York, wuchs er in einer typisch amerikanischen Vorstadt auf, wo andere Kids Baseball spielten – John dagegen übte Arpeggios, bis seine Eltern drohten, ihm die Gitarre zu verbrennen. Mit 12 Jahren griff er zur Gitarre, weil seine ältere Schwester ihn ins Bett zwang, während sie Black Sabbath hörte. Kein Witz – das war seine Einstiegsdroge. Sabbath, Iron Maiden, und später Al Di Meola – das Trio, das aus einem Teenager einen Soundarchitekten machte. In der Schule traf er dann John Myung, seinen späteren Bassisten und Bruder-im-Takt. Die beiden verstanden sich sofort: Nerdige Perfektionisten mit einem Hang zum Selbstquälen durch Üben. Dann kam das Berklee College of Music – Mekka für Musiker mit zu viel Ehrgeiz und zu wenig Schlaf.
Dort lernte er Mike Portnoy kennen. Zusammen gründeten sie Majesty, was klingt wie eine schlechte Metalband aus ’85 – was sie auch waren, bis sie checkten, dass der Name schon vergeben war. Also: Dream Theater. Die Jungs wollten keine Band – sie wollten ein Soundlabor, eine Art musikalische NASA. Ihr Debüt When Dream and Day Unite (1989) ging zwar unter wie ein Bleiklotz, aber Petrucci war schon da, wo andere nie hinkommen: technisch jenseits von Gut und Böse. Dann kam Images and Words (1992) – Boom! Pull Me Under lief auf MTV (ja, das war mal relevant), und plötzlich war Dream Theater die Harvard-Version von Metallica. Petrucci wurde zur Ikone für Gitarristen, die sich lieber an 13/16-Takten als an Groupies vergreifen. Während andere Rockstar wurden, blieb Petrucci der Typ, der lieber seine Übungsroutinen loggt. Kein Alkohol, kein Drogenkram – nur Proteinshakes, Familie, und ein Metronom, das wahrscheinlich Angst vor ihm hat.
Er heiratete Rena Sands, Gitarristin bei Meanstreak (ja, Powercouple-Alarm), und bekam drei Kinder. Über die Jahre wurde er nicht einfach besser – er wurde eine verdammte Marke. Er schrieb Gitarrlehrbücher, produzierte Alben, komponierte wie ein verrückter Uhrmacher und brachte 2020 endlich sein zweites Soloalbum raus: Terminal Velocity. Kritiker sagten: „Typisch Petrucci – klingt, als hätte Steve Vai ein Physikstudium abgeschlossen.“ Und dann ist da seine Liebe zu Equipment – er hat mehr Signature-Gitarren als andere Musiker Gitarrenakkorde kennen. Seine Music Man Majesty ist im Grunde ein Raumschiff mit Saiten. Ein ergonomisches Wunderwerk, das aussieht, als würde es gleich abheben und in eine andere Dimension shredden. Präzise bis zur Gänsehaut. Petrucci spielt, als würde er jede Note chirurgisch aus der Luft schneiden.
Live? Während seine Bandkollegen Grimassen ziehen und das Publikum durchdreht, steht er da mit Buddha-Ruhe und lässt seine Finger explodieren. Aber hinter all der Technik steckt Herz. Jeder Song von Dream Theater ist eine Mischung aus Mathematik, Melancholie und Midlife-Crisis. Petrucci schafft es, komplexe Emotionen durch noch komplexere Noten auszudrücken – und das ist verdammt beeindruckend. Heute ist er eine Legende, ein Lehrer für Millionen, ein Beweis, dass Disziplin sexier ist als Chaos.
Und während andere Gitarristen schwitzen, spielt John Petrucci einfach weiter – mit einem Lächeln, das sagt:
„Ich hab das gestern schon mit zwei Fingern gemacht – heute probier ich’s mit einem.“