Stell dir Birmingham Ende der 40er Jahre vor. Kohlenstaub, Fabrikschlote, ein Leben, das mehr nach Maloche als nach Musik riecht. Und mitten drin: Anthony Frank Iommi Jr., Sohn italienischer Einwanderer, geboren am 19. Februar 1948. Kein Rockstar-Setting. Kein Glamour. Nur Arbeiterklasse und das ständige Gefühl, dass man hart ackern muss, um überhaupt irgendwas auf den Tisch zu bekommen. Iommi war ein stiller Junge, eher introvertiert, aber sobald er eine Gitarre in die Finger bekam, änderte sich alles. Linkshänder, klar – das machte die Sache etwas komplizierter.
Während andere brav Beatles-Songs nachspielten, zog es ihn zur dunklen Seite. Seine frühen Einflüsse? Hank Marvin und The Shadows, dann Eric Clapton, Blues, Rock – alles, was nach dreckiger Energie klang. Musik war der eine Fluchtweg aus dem grauen Birmingham. Und dann kam der Tag, der alles veränderte. Stell dir das vor: dein letzter Arbeitstag in einer verdammten Blechfabrik, du freust dich auf ein Leben als Musiker – und zack, eine Maschine frisst dir die Spitzen von Mittel- und Ringfinger der rechten Hand weg. Für die meisten wäre das „Game Over“ gewesen. Für Iommi war es der Anfang.
Natürlich, erstmal Depression, Verzweiflung, Selbstmitleid. Aber dann kam ein Kollege vorbei, der ihm eine Django-Reinhardt-Platte aufdrückte. Django, der Gypsy-Jazz-Gott, der mit zwei funktionierenden Fingern trotzdem die Welt verzauberte. Und plötzlich dachte Iommi: „Fuck it, wenn der das kann, kann ich das auch.“ Also bastelte er sich Fingerprothesen aus geschmolzenen Plastikflaschendeckeln und überzog sie mit Leder. Klingt wie ein schlechter DIY-Hack aus YouTube, war aber der Beginn des schwersten Gitarrensounds, den die Welt je gehört hatte. Weil er mit den Prothesen nicht so viel Druck ausüben konnte, stimmte er die Saiten tiefer.
Dünnere Saiten? Gab’s damals nicht – also schnappte er sich Banjo-Saiten. Ergebnis: ein tiefer, finsterer, vibrierender Klang, den es vorher schlicht nicht gab. Ohne Unfall keine Tieferstimmung. Ohne Tieferstimmung kein Heavy Metal. Punkt. 1968 gründete er mit Ozzy Osbourne, Geezer Butler und Bill Ward eine Band, die erst Earth hieß. Dann kamen sie auf „Black Sabbath“. Der Name? Von einem Horrorfilm geklaut. Die Idee? Wenn Leute für Horrorfilme zahlen, vielleicht auch für Musik, die sich genauso anfühlt. Und Iommis Riffs waren die perfekten Soundtracks für Albträume: langsamer, schwerer, dunkler als alles andere.
„Black Sabbath“, der Song, beginnt mit dem Tritonus – dem „Teufelsintervall“. Die Kirche hasste es. Die Kids liebten es. Und plötzlich gab’s eine neue Religion: Heavy Metal. Während die Hippies noch von Liebe und Frieden faselten, schob Iommi ein Riff nach dem anderen raus, das mehr nach Fabrik, Krieg und dem verdammten Ende der Welt klang. „Paranoid“, „Iron Man“, „War Pigs“ – alles Klassiker, geschrieben von einem Typen, der eigentlich nie ein Gitarrenheld werden sollte. Aber genau das machte ihn zum ultimativen Antihelden.
Und er war das Rückgrat von Black Sabbath. Ozzy kam und ging, Dio kam und ging, sogar Ian Gillan hüpfte mal rein. Aber Iommi blieb immer da. Er war die Konstante, der Architekt, der Mastermind. Ohne ihn wäre Sabbath schon in den 70ern zusammengebrochen. Mit ihm wurden sie zur Blaupause für Metalbands weltweit. Nebenbei war er nicht nur Sabbath. Er spielte kurz bei Jethro Tull (kein Witz, aber auch kein Match), veröffentlichte Soloalben, gründete mit Dio die Band „Heaven & Hell“ und arbeitete mit jedem, der Rang und Namen hatte – von Glenn Hughes bis Brian May.
Und ja, er hat sogar Filmmusik geschrieben, weil Horror und Iommi sowieso seit jeher zusammengehören. Persönlich blieb er immer geerdet. Kein typischer Rockstar, keine Skandal-Schlagzeilen im Dutzend. Stattdessen Krebsdiagnose 2012. Jeder dachte, das war’s. Aber der Typ, der schon mal Metal aus einem Fabrikunfall erfunden hatte, dachte sich: „Fuck Krebs.“ Und spielte weiter. Er ging durch Behandlungen, stand trotzdem wieder auf der Bühne und lieferte Shows, die bewiesen: Iommi ist kein Mensch, er ist ein dickköpfiger Metalhead.
Seine Gitarren? Meist Gibson SGs, modifiziert für seine Finger und seinen Sound. Sein Style? Eine Mischung aus Blues, Klassik, Doom und purer Wut. Und sein Einfluss? Unermesslich. Ohne ihn gäbe es kein Metallica, kein Slayer, kein Pantera, kein Doom, kein Stoner – basically die halbe Gitarrenwelt hätte nie existiert. Heute nennt man ihn den „Godfather of Heavy Metal“. Aber das ist fast zu brav. Iommi ist eher der Typ, der mit halben Fingern und voller Sturheit ein ganzes Genre gebaut hat. Und wenn du ihn live siehst, wie er mit seiner SG ein Riff raushaut, merkst du sofort: Das ist kein Musiker. Das ist ein verdammter Schmied, der Metal nicht nur spielt, sondern aus Schmerz, Blut und Feuer erschaffen hat.