Mike Campbell kam am 1. Februar 1950 in Panama City, Florida, zur Welt und wuchs in Jacksonville auf. Seine Mutter Helen kaufte ihm mit 16 eine billige Harmony-Akustik aus dem Pfandhaus – technisch gesehen unspielbar, aber genau das Teil, das den Funken zündete. Bald folgte eine $60-Goya als erste E-Gitarre, und mit Dylan, The Byrds und George Harrison als Kompass begann er sich das Gitarrespiel selbst beizubringen. Das erste Stück, das er lernte? „Baby Let Me Follow You Down“ von Dylan. Symbolisch irgendwie:
Er folgte den Songs – sein Leben lang. Nach der High School 1968 gründete er kurz eine Band namens Dead or Alive, die genauso schnell implodierte, wie sie entstand. Dann kam der entscheidende Kontakt: Mudcrutch. Über den Drummer Randall Marsh traf er Tom Petty. Die Band zog 1974 nach Los Angeles, landete bei Shelter Records und nahm ein Album auf, das nie das Licht der Welt erblickte. Klassischer Fehlstart.
Doch daraus wurde 1975 Tom Petty and the Heartbreakers – und Campbell war plötzlich nicht mehr nur ein Typ mit einer billigen Pfandhausgitarre, sondern der andere Motor einer Band, die Rockgeschichte schreiben sollte. Sein Spiel war nie auf Show angelegt. Keine endlosen Soli, keine „schau mal, wie schnell ich bin“-Nummern. Stattdessen: Melodien, die die Songs tragen. Guitar World schrieb mal, es gebe nur eine Handvoll Gitarristen, die nie einen Ton vergeudet hätten – Campbell sei einer von ihnen.
Er selbst? Zog nur die Schultern hoch: „Ich will, dass mein Spiel die Songs größer macht, nicht mich.“ Genau das machte ihn zum perfekten Gegenpol zu Pettys schnörkellosem Rock’n’Roll. Gemeinsam hauten sie Klassiker raus wie „Refugee“, „Here Comes My Girl“, „You Got Lucky“ oder „Runnin’ Down a Dream“. Campbell schrieb, produzierte und war maßgeblich an fast jedem Herzstück der Heartbreakers beteiligt. Auch in Pettys Solo-Karriere steckte er tief drin – etwa bei Full Moon Fever und Wildflowers.
Seine letzte Show mit den Heartbreakers spielte er am 25. September 2017 im Hollywood Bowl in L.A., kurz bevor Petty starb. Doch Campbell war nie nur der Sidekick. Er schrieb und spielte mit Don Henley („The Boys of Summer“, „The Heart of the Matter“), arbeitete mit Stevie Nicks an fast all ihren Soloplatten, produzierte für Roy Orbison (Mystery Girl), spielte für The Wallflowers („Sixth Avenue Heartache“) und lieferte Songs für Künstler wie Johnny Cash, Brian Setzer, Lone Justice, Patti Scialfa oder Roger McGuinn.
Die Liste ist absurd lang. 2018 sprang er dann bei Fleetwood Mac ein, ersetzte Lindsey Buckingham und ging mit der Band auf Welttournee. Danach fokussierte er sich stärker auf sein eigenes Baby: The Dirty Knobs. Eine härtere, dreckigere Version von dem, was er jahrelang im Hintergrund verfeinerte – mehr Kinks, mehr Animals, weniger Hochglanz. Mit ihnen veröffentlichte er Wreckless Abandon (2020), External Combustion (2022) und Vagabonds, Virgins & Misfits (2024).
Und weil Legenden irgendwann Bock haben, ihre Geschichte selbst zu erzählen, kündigte Campbell 2024 seine Memoiren Heartbreaker an – Release: 18. März 2025. Darin will er den Weg vom „armen Kid aus Jacksonville“ bis in die Rock and Roll Hall of Fame erzählen. Heute, über 50 Jahre nach den ersten unbeholfenen Akkorden, steht Mike Campbell immer noch auf der Bühne. Nicht als der Typ im Rampenlicht, sondern als der unsichtbare Architekt im Hintergrund. Der Mann, der bewiesen hat, dass man kein Gitarren-Gott sein muss, um unsterblich zu werden – man muss nur wissen, wann man die richtigen drei Töne spielt.